Die Macht der Nahrung
„Hat denn der Alkohol in sich selbst eine solche Macht?...Ich möchte dem noch beifügen, dass auch der Verlust der naiven Selbstbeobachtung und der heute allgemeine Mangel an Ehrfurcht vor dem Leben und dem lebendigen Leibe mitwirken, aber über all dies hinaus ist noch eine andere Macht am Werke: die Unlust im Lebensgefühl, und diese Unlust ist in der Hauptsache erzeugt durch die Disharmonie der Nahrung, und ihre Macht ist noch größer als diejenige des Alkohols. Sie ist es, was ihm Pforten zum Blut in unseren Adern öffnet. Das Lebensgefühl ist das ureigenste Gefühl, das der Mensch hat, wie Adolf Koelsch so meisterhaft sagt, ein „Rauschen am Seelengrunde“, das aus dem Zusammenfließen aller Nervenmeldungen über das Geschehen im ganzen Organismus im Sammelbecken des Gehirns, entsteht und vom Bewusstsein wahrgenommen wird. Ist dieses Gefühl rein und stark, so erfüllt es uns mit Lustgefühl, mit Vertrauen in unsere Kraft und mit Freude am Leben. Ist es unrein und mit Missklängen besetzt, so entsteht in uns Unlustgefühl, Verstimmung und Lebensschwere, Gefühle unter denen das Ich leidet und deshalb mit allen Mitteln ihnen zu entgehen sucht.“
Dr. Max Bircher-Benner
„Fragen des Lebens und der Gesundheit“, F. Schwab Verlag
Anmerkung von mir:
Wer hört denn nach beispielsweise einem üppigen Festmahl mit Fleisch, Brot, Pasteten, Kuchen, Wein, Kaffee und Schokolade das Rauschen am Seelengrunde und spürt sein Lebenslustgefühl in sich aufsteigen? Ein Vertrautheitsgefühl sicherlich und Zugehörigkeitsgefühl dazu.
Sicher spürt er noch so einiges, meist einen Tag später, jedoch einen Kater mit dem Gefühl, im Koma zu sein. Doch von Lebenslustgefühl und tiefer innerer Stille, Schönheit und Zufriedenheit ist da wohl kaum was zu spüren. Das funktioniert schlecht, wenn es im Bauch drückt.
Mag sein, dass er auch noch den Rauschzustand nachwirkend erlebt mit irgendwelchen Halluzinationen, ähnlich einem Kick mit anderen Rauschmitteln, die ihm die Illusion verleihen, in höheren Sphären zu segeln. Doch der Abfall der Gefühle lässt nicht lange auf sich warten und der Abstieg in die Hölle ist die unweigerliche Folge.
Die Nahrung sollte stets rein sein, ausgewogen und der Gesundheit dienlich und nicht als Ersatzbefriedigung herhalten müssen.
Was ist denn das Schöne am gemeinschaftlichen Essen, um das oft so ein Kult gemacht wird? Ist es nicht eher so, dass das hier um nichts weiter geht, ein Gefühl von Geborgenheit, sich zugehörig und nicht getrennt zu fühlen?
Wieviele schenken dem, was sie essen und auch ihrer Eßkultur gar keine Aufmerksamkeit und Bedeutung und für das Mahl mit Gästen wird ein Kult veranstaltet.
Das Essen sollte täglich ein Ritual sein, mit Freude zubereitet und zusammengestellt werden dem Aufmerksamkeit gewidmet wird, wo geschaut wird, was gegessen wird und wieviel, damit das Lebensgefühl, das in Verbindung mit dem Essen steht nicht in der Gemeinschaft gesucht werden muss, weil es allein zu trist ist und damit nicht zur Völlerei führt, sondern das gemeinschaftliche Verbundenheitsgefühl stets gegenwärtig ist.
Das Essen in der Gemeinschaft ist heute meist noch mit einem sündhaften Vergehen am Körper verbunden. In der Masse geht die Individualität verloren und auch das Gefühl für die eigenen Bedürfnisse. Es tritt ein Mechanismus des Mitmachens ein, was sich bei unserer landesüblichen Ernährung nicht gerade positiv auswirkt.
Sogar die gesündeste Ernährung gereicht zum Nachteil bei zu viel an Masse, zu viel Verschiedenes, zu viel ohne Verstand... Dazu kommt meist noch das zuviel Gerede über Dinge, die auch nicht immer gerade das Bekömmlichste sind. Zu gerne wird immer wieder über negative Dinge geredet.
Bei einem gemeinschaftlichen Zusammensein sollte nicht das Essen im Vordergrund stehen, sondern das Bedürfnis, sich wahrhaft geistig und seelisch auszutauschen, zu bereichern und zu nähren. Das Essen darf natürlich dazu gehören, doch um die Bedürfnisse des Körpers zu befriedigen und nicht ihn zu zerstören.